„Aids-freie Zonen“ in Industrie und Tourismus

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Obwohl es die nationale Gesetzgebung verbietet, werden arbeitssuchende Frauen in der DR routinemäßig HIV-Tests unterzogen.

Und HIV-positive Frauen erleben massive Diskriminierungen, wenn sie medizinische Dienste in Anspruch nehmen.

(Human Rights Watch)

Diskriminierung HIV-positiver Frauen in der Dominikanischen Republik

Frauen in der Dominikanischen Republik werden routinemäßig unfreiwillig auf HIV getestet, wenn sie sich um Arbeit in den Freihandelszonen bewerben oder im Tourismus arbeiten (wollen). Ist das Ergebnis positiv, werden sie nicht aufgenommen bzw. gekündigt. Womit sie dann ihre Existenz fristen und sich und ihre Kinder ernähren sollen, bleibt ihnen überlassen: Für die Frauen heißt das sozialen Ausschluss, prekäre Arbeit im informellen Sektor und Abgedrängt-Werden in die Prostitution. Im Zusammenhang mit HIV sind Frauen auch dann massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, wenn sie das Gesundheitswesen in Anspruch nehmen, vor allem im Rahmen der Geburtenvorsorge, wie Human Rights in einem im Juli 2004 veröffentlichten Report (1) erhoben hat.

Wie in allen Ländern der „Dritten Welt“ sind auch in der DR zunehmend mehr Frauen als Männer von HIV/Aids betroffen. Ihre Zahl wird derzeit auf 61.000 geschätzt (bei einer Bevölkerung von 8,2 Mio.), womit sie etwas mehr als die Hälfte aller HIV-positiven Menschen ausmachen und bei den Neuinfektionen eindeutig vorne liegen. Die DR ist nach Haiti das lateinamerikanische Land mit der höchsten HIV/Aids-Prävalenzrate, und HIV/Aids ist heute bereits die häufigste Todesursache von Frauen im reproduktiven Alter (zwischen 15 und 49 Jahren).

Frauendiskriminierung als Faktor

Die Interviews, die Marianne Möllmann von Human Rights Watch mit HIV-positiven Frauen in der Dominikanischen Republik geführt hat, geben Einblick in die Lebensrealität betroffener Frauen und zeigen, wie die bestehende Ungleichheit der Geschlechter die Verletzung der Rechte der Frauen fördert und zur massiven Diskriminierung durch ArbeitgeberInnen, medizinisches Personal, Familienangehörige und (Ehe-)Männer führt. Folgen der Diskriminierung sind verstärkter sozialer und finanzieller Druck, in vielen Fällen auch psychischer Druck und Gewalt gegen Frauen durch ihre Partner, die sie als die „Schuldigen“ betrachten, die durch „Fremdgehen“ das Virus in die Beziehung gebracht haben. Dabei sind es – wie viele Interviews zeigen – häufig die (Ehe-)Männer, die – sozial eher toleriert - außereheliche Beziehungen eingehen, ohne dabei Präservative zu benutzen. Der Kondomgebrauch ist in der DR allgemein sehr niedrig: Laut Umfragen wird das Kondom nur in 2% der Beziehungen benutzt, in fixen Partnerschaften überhaupt nur in 1,3%. Damit erweist sich der Mythos der Treue als Bumerang für Frauen, die in ihren Partnerschaften das Kondom nicht durchsetzen können, weil sie dann ihrerseits verdächtigt werden, eine außereheliche Beziehung zu haben.

Risikosituation Ehe

Olga López (2), 36 Jahre alt, erklärt die Gründe, warum sie mit ihrem Ex-Mann keine Kondome benutzt hat: „Er war mein Partner, und das werden dir viele betroffene Frauen sagen. Ich habe mich nicht in einer Risikosituation gefühlt. Hier geht man allgemein davon aus, dass nur Frauen, die als Prostituierte arbeiten oder viele Beziehungen haben, einem Risiko ausgesetzt sind.“ Alesandra Ebrito, deren Mann vor vier Jahren an Aids gestorben ist, erinnert sich: „Früher dachte ich, dass das Kondom nur bei einer zufälligen Begegnung notwendig wäre. ... Ich dachte, mein Mann wäre treu.“ Rosana Ramírez erklärte Human Rights Watch, dass ihr Mann ihr gesagt habe, er müsste mit ihr kein Kondom verwenden, weil er es benutzen würde, „wenn er auf der Straße ist“ (Sex mit einer anderen Frau hat). Und die 31-jährige Judelka de la Cruz sagte, dass ihr Mann sie jedes Mal beschuldigt hätte, untreu zu sein, wenn sie verlangte, dass er ein Kondom benutzen sollte. Um die Anschuldigungen zu vermeiden, verzichtete sie schließlich darauf.

Diskriminierung in Spitälern

Grobe Missstände in der Aufklärung, dem Prinzip der Freiwilligkeit bei HIV-Tests, dem Umgang mit sensibler Information und bei der Behandlung HIV-positiver Frauen gibt es Human Rights Watch zufolge im öffentlichen Gesundheitswesen. Frauen, die im Rahmen der Geburtenvorsorge öffentliche Kliniken aufsuchen, werden ohne umfassende Aufklärung zu einem HIV-Test genötigt oder der Test wird überhaupt ohne ihr Wissen und Einverständnis durchgeführt. 2003 erhielten nur 31% der Frauen, die pränatale Vorsorgeleistungen in Anspruch nahmen, eine Beratung, aber 50% aller Frauen wurde auf HIV getestet. Damit wurden im Vorjahr 28.000 Frauen ohne jegliche Beratung auf HIV getestet. Mehrere Frauen berichten, dass ihnen die Testergebnisse ebenfalls ohne jegliche Beratung mitgeteilt wurden, und dass die ärztliche Schweigepflicht verletzt wurde, indem ihnen das Ergebnis in Anwesenheit anderer Personen mitgeteilt wurde oder überhaupt nur Angehörige und nicht sie selbst von einem positiven Testergebnis informiert wurden.

Besonders erschreckend sind die Erfahrungen, die einige HIV-positive Frauen in Spitälern bei der Geburt ihres Kindes gemacht haben. Frauen wurde eine adäquate Betreuung verwehrt, sei es, dass nicht rechtzeitig antiretrovirale Medikamente gegeben wurden, die das Ansteckungsrisiko von der Mutter auf das Kind während der Geburt herabsetzen, oder dass kein Kaiserschnitt durchgeführt wurde (wodurch das Risiko einer Mutter-Kind-Übertragung ebenfalls reduziert werden kann). Die Frauen vom ärztlichen Personal vernachlässigt, nach der Geburt nicht von ihrem Blut gesäubert, ebensowenig ihre Neugeborenen.

Unfreiwillige HIV-Tests

Für die wirtschaftliche Existenz der Frauen besonders gravierend ist die (gesetzlich verbotene) Praxis von unfreiwilligen HIV-Tests gerade in jenen Bereichen, die vor allem Frauen Arbeit bieten: die Fabriken in den Freihandelszonen und der Tourismus mit seinen Hotelanlagen, Restaurants und Freizeitangeboten. Die Erfahrungen der 24-jährigen Gabriela López beleuchten die gängige Praxis der ArbeitgeberInnen. Gabriela wusste seit zwei Jahren von ihrem positiven HIV-Status. Sie hat fünf Kinder und gab an, durch ihren Mann angesteckt worden zu sein, der sie mehrfach auch vergewaltigt hat: „Er hat mich mit Gewalt genommen. Er war eifersüchtig. Er sagte mir, dass er Sex wollte, und dass ich jemanden anderen habe.“ Um Gewalt zu vermeiden, stimmte Gabriela dem Sex meistens zu, wobei nie über die Verwendung eines Präservativs gesprochen wurde. Als sich 2002 während ihrer letzten Schwangerschaft herausstellte, dass sie HIV-positiv war, verließ sie ihr Mann, sodass Gabriela seither Alleinerzieherin ihrer fünf Kinder ist. Um sich und ihre Kinder durchzubringen, suchte und fand sie Arbeit in einer Freihandelszone sowie im Tourismus. Beide Male wurde sie jedoch nach kurzer Zeit wegen ihres HIV-Status entlassen: „Es wurde ein Test gemacht, aber es wurde mir nichts davon gesagt. Es wurde mir einfach nur Blut abgenommen, direkt dort (in der Freihandelszone). Danach wurde ich entlassen. Ich hatte drei Monate dort gearbeitet.“ Die Arbeit in einem Hotel, die sie danach fand, verlor sie ebenfalls nach einigen Monaten, weil Gerüchte aufgekommen waren, dass sie HIV-positiv sei. Seither bringt sich Gabriela mit Gelegenheitsarbeiten durch, was für sie psychisch äußerst belastend und ihrem Gesundheitszustand sicher nicht förderlich ist: „Tag für Tag diese Schwierigkeiten, ob sie mich nehmen oder nicht... Mein Sohn sagt zu mir: `Mami, ich möchte ein Keks`, aber ich kann ihm nichts geben, ich habe nichts.“

Im Tourismus ist die (verbotene, aber nicht verfolgte) Praxis des Verlangens eines HIV-Nachweises bzw. die unfreiwillige Testung von Bewerberinnen und Angestellten besonders verbreitet, weil Teil einer „Marketingstrategie“, die darin besteht, TouristInnen versichern zu können, dass die Hotels „Aids-freie Zonen“ seien.

Human Rights Watch zeigt aber auch Ansätze auf, wie den gravierenden Missständen begegnet werden kann und wo es bereits Schritte zur Umsetzung nicht-diskriminierender Maßnahmen gibt. Wichtig ist etwa die Sensibilisierung und Schulung von ArbeitsinspektorInnen, die selbst initiativ werden müssen, da Betroffene nur selten bereit sind, Diskriminierungen anzuzeigen, weil sie dadurch weitere Nachteile befürchten. Um die Wahrung der Menschenrechte – vor allem das Menschenrecht auf bestmögliche Gesundheitsversorgung, Freiwilligkeit der HIV-Tests, ärztliche Schweigepflicht und Nicht-Diskriminierung am Arbeitsplatz – zu gewährleisten, ist vor allem der dominikanische Staat aufgerufen, Aufklärung zu gewährleisten, Gesetzesverletzungen durch Firmen oder medizinisches Personal zu sanktionieren und – last but not least - ausreichend in das Gesundheitssystem zu investieren.

Von Claudia Thallmayer
In: Frauensolidarität Nr. 90, 4/2004

Anmerkungen:
1) Human Rights Watch: Una prueba de desigualdad: discriminación contra mujeres viviendo con VIH en la República Dominicana. Julio de 2004, Vol. 16, No.4(B); http://hrw.org. Englische Version der Studie: http://hrw.org/reports/2004/dr0704/
2) Namen von HRW geändert.

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