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Welthandel und Schutz des
geistigen Eigentums
von Anton Petter, 1.3.2005
Der Schutz geistigen Eigentums
Jeder (international tätige) Hersteller kann für neu entwickelte
Produkte - in unserem Fall sind das vor allem Medikamente zur Behandlung
der HIV Infektion - in jedem Staat der Welt, der über die entsprechende
Gesetzgebung verfügt, ein Patent anmelden, das seinem Produkt für
20 Jahre das alleinige Verkaufs - und Vermarktungsrecht im diesem Land
garantiert (Schutz geistigen Eigentums = Schutz vor Nachahmung im Land
und Import von Nachahmerprodukten = Monopolstellung).
Begründet wird Patentierung damit, daß Anreize für neue
Entwicklungen geschaffen werden sollen und dem Patentinhaber durch die
vorübergehende Monopolstellung am Markt Ersatz für die teilweise
enormen Entwicklungskosten ihrer Produkte gewährleistet wird. Auch
Kosten für die Entwicklung von Medikamenten, die es nie auf den Markt
schaffen sollen damit abgegolten werden. Nach Ablauf der 20-jährigen
Frist können die Medikamente dann auch von anderen Herstellern nachgebaut
und vermarktet werden (= Generika). Durch den Wettbewerb, der dadurch
entsteht, fallen die Preise (übrigens vor allem die der Originalpräparate).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang Folgendes:
- Patente müssen vom Hersteller in jedem einzelnen Land beantragt
werden und unterliegen dort der nationalen Gesetzgebung. Es gibt also
kein „globales“ Patent. Hat ein Staat kein Patentrecht,
gibt es dort auch keine Patente. Wird ein Patent in einem Staat nicht
beantragt, ist es dort auch nicht wirksam und nicht zu beachten.
- Patente dürfen laut Welthandelsorganisation (WTO)-Vereinbarung
nur genehmigt werden, wenn es sich um neue und innovative Produkte handelt;
eine Definition, was genau das heißt, liegt aber bisher nicht
vor.
- Bisher war das Patentrecht in den einzelnen Nationalstaaten durchaus
unterschiedlich - z.B. gewährte Indien Patente auf Produktionsverfahren,
nicht jedoch auf die Produkte selbst.
- Herstellerfirmen beantragen Patente für marktfähige Medikamente
in der Regel sehr früh, meist noch im Entwicklungsstadium der jeweiligen
Substanzen.
Welthandel und Schutz
geistigen Eigentums
(TRIPS = Trade Related Aspects of Intellectual
Property Rights)
Weil jedes Land sein eigenes (oder auch überhaupt kein) Patentrecht
hatte, gab es im Zuge der Globalisierung von Seiten der Welthandelsorganisation
(WTO) Bestrebungen, das Patentrecht international zu vereinheitlichen.
Der Prozeß dieser Vereinheitlichung (man könnte auch sagen
Anpassung an das US-Recht) begann am 1.1.1995.
Die wichtigsten WTO-Vereinbarungen sind:
- Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation wurde in Abhängigkeit
vom Bruttonationalprodukt Fristen
gewährt, innerhalb derer sie ihr nationales Patentrecht an internationale
„Standards“ (- US dominiert!) anzupassen haben. Diese Fristen
sind für
• Industrieländer: 1.1.1996
• Middle-/low-income countries, die schon Patente genehmigt haben:
1.1.2000
• Middle-income countries, die noch keine Patente genehmigt haben
(dazu gehören unter anderem Indien, Brasilien, Argentinien): 1.1.2005
• Low-income countries: 2016
In der Praxis relevant sind vor allem die Länder der dritten Gruppe,
deren Frist am 1.1.2005 endete, da sich unter ihnen Generikaproduzenten
befinden, die auch exportieren (Brasilien, Indien).
Anmerkung: Die WTO-Bestimmung sieht vor, dass
Länder, die die Frist in Anspruch nehmen, bis zum Ablauf der Frist
eine Art Mailbox installieren müssen, in der Patentanträge gewissermaßen
auf ihre Bearbeitung warten. Beispiel: hat ein Hersteller im Jahre 1997
für ein damals innovatives Produkt einen Patentantrag in die Mailbox
gestellt, wird dieser Antrag nach Ablauf der Frist, also ab 2005 unter
dem neuen (gerade verabschiedeten) nationalen Gesetz bearbeitet („Der
Antrag bleibt also gewissermaßen frisch“). Wird das Patent
genehmigt, weil das Produkt 1997 innovativ war, würde dies die Produktion
und Vermarktung von inzwischen entwickelten Nachahmerpräparaten ab
sofort verbieten (das neue Gesetz würde dadurch für bereits
existierende Generika sofort wirksam). Das Patent würde in unserem
Beispiel dann bis 2017 gewährt.
- Ausnahmeregelungen (zusammengefasst
in der DOHA Declaration 2001):
Der Hauptinhalt dieser in DOHA (Quatar) beschlossenen Zusatzvereinbarung
war die Klarstellung, dass es armen Ländern freisteht, in ihren
nationalen Gesetzgebungen öffentliche Gesundheitsinteressen vor
kommerzielle Interessen von Patentinhabern zu stellen. In der Praxis
bedeutet dies, dass die Herstellung und Vermarktung Patent-geschützter
Medikamente durch Dritte trotz fehlender Genehmigung des Patentinhabers
in einem Land erlaubt werden kann, wenn es das nationale (Gesundheits-)
Interesse dieses Landes erfordert (so genannte Zwangslizenz = compulsory
licence).
Dies hat jedoch zur Voraussetzung, dass
I. ein Hersteller, der nicht der Patentinhaber ist, im Land vorhanden,
interessiert und in der Lage ist, ein Nachahmerpräparat zu produzieren
(für HIV-Medikamente derzeit Brasilien, Thailand, Indien und Südafrika),
II. dieser Hersteller in dem Land eine Zwangslizenz
(compulsory licence) beantragt (relevant für Indien ab 1.1.2005)
und
III. diese Zwangslizenz von der jeweiligen Regierung auch genehmigt (befürwortet)
wird (politischer Wille!).
Die compulsory licence erlaubt (kann
erlauben) die Produktion im jeweiligen Land und den Import von Produkten
aus Drittländern für den Eigenbedarf.
Nicht ohne weiteres zulässig ist jedoch
der Export in Drittländer.
Dies ist praktisch relevant und führte in Bezug auf HIV/AIDS-Medikamente
zu einer doppelt absurden Situation:
(1) Gerade die ärmsten Länder, die keine Pharmaindustrie haben
und auch nicht in der Lage sind eine aufzubauen, leiden am meisten unter
HIV/AIDS. Sie dürften HIV-Medikamente zwar importieren, hätten
aber keine Lieferanten, da möglichen Exportländern der Export
von Billigmedikamenten ja verboten wäre. Gerade diese Länder
wären daher auf teure Originalpräparate angewiesen.
(2) Für Länder, die in der Lage sind zu produzieren, aber kein
großes HIV Problem haben, wie z.B. die Phillipinen, würde es
sich nicht lohnen, nur für den heimischen Markt zu produzieren. Auch
sie müssten als Konsequenz teure Originalpräparate importieren.
- Die WTO hat nach internationalem Druck (u.a. von MSF) auf diese Situation
reagiert und erlaubt Generika-Produzenten
nun auch nach Ablauf obiger Fristen unter gewissen Umständen den
Export ihrer Medikamente in Drittstaaten (Cancun-Vereinbarung
2003). Diese „Umstände“ sind jedoch mit zum Teil komplizierten
bürokratischen Hürden verbunden was verhindern könnte,
dass Staaten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (=Rechtstatbestand
der Beschränkung!). Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch,
dass diese Ausnahmen bereits bei der Entwicklung des nationalen Gesetzestextes
berücksichtigt werden müssen (aktuelles Beispiel Indien s.u).
Der Teufel steckt also hier wieder einmal im Detail.
Freihandelsabkommen (Free
Trade Agreements)
Die USA versuchen über so genannte Freihandelsabkommen mit anderen
Ländern (Beispiele Guatemala, Peru) obige Ausnahmebestimmungen zu
umgehen - gewissermaßen über die Hintertür - nach dem
Motto: „Ihr bekommt von uns Wirtschaftshilfe (Kredite), wenn Ihr
auf Eure Rechte verzichtet.“ Details dieser Freihandelsabkommen
sind oft nur insidern bekannt und werden auch von den Medien kaum beachtet
(http://www.accessmed-msf.org/prod/publications.asp?scntid=4820041126222&contenttype=PARA&).
Diese Abkommen sehen natürlich auch Vorteile für die Partnerländer
vor. In Hinblick auf das verhalten der USA in anderen Bereichen ist aber
sicher Vorsicht am Platze.
Lizenz des Patentinhabers
Patentinhaber können Mitbewerbern auch erlauben, Nachahmerpräparate
zu produzieren und zu vermarkten. Diese Lizenz des Patentinhabers ist
ein privatrechtlicher Vertrag zwischen den Pharmafirmen als Vertragspartner.
Verschiedene Varianten sind hier möglich – von bloßer
Erlaubnis bis hin zum kompletten Outsourcing der Produktion. Die
Rechte auf die Medikamente verbleiben aber in der Regel beim Patentinhaber,
außer er verkauft auch diese - so geschehen bei einem der ersten
HIV-Medikamente Didanosine, das vom National Institute of Health in den
USA entwickelt wurde. Die gesamten Rechte wurden vom NHS aber auf Brystol
Myers Squibb (BMS) übertragen (kostenlos, aber mit der Auflage des
„fair pricing“!). (Anmerkung am Rande: BMS hatte dadurch keine
Entwicklungskosten für das Medikament - das US-NIH ist eine öffentliche
Institution!).
Originalhersteller erteilen Lizenzen manchmal auf öffentlichen Druck,
meist aber gegen Entgelt. Dies führt natürlich zu Kosten, die
auf die Patienten übertragen werden. Ein Beispiel für ein Unternehmen
das HIV-Medikamente unter Lizenz eines Originalherstellers produziert
ist Aspen Pharma in Südafrika.
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